Donnerstag, 30. Dezember 2010

Ajahn Munindo




ven. Ajahn Munindo


Die Freiheit des Leidens


Es kann eine ganze Weile dauern, bis wir herausgefunden haben, was der eigentliche Sinn der buddhistischen Praxis ist. Dieser Weg beinhaltet unzählige Doktrinen, Ansichtsweisen und Techniken - aber keine von diesen ist ein Ende in sich. Sie sind alle Teil eines übergeordneten Trainings, dass "Cittabhavana" genannt wird, oder auch "die Schulung des Herzens". Es gibt verschiedene Übertragungen des Wortes "Citta". Mal wird es als "Herz", "Aufmerksamkeit" oder auch "Bewußtsein" übertragen (Anm. des Übers.: im Deutschen sehr häufig auch als "Geist"). "Bhavana" bedeutet wörtlich "ins Dasein bringen". Cittabhavana könnte man somit also auch mit "Entwicklung der Aufmerksamkeit" übersetzen. Dieser Begriff ist offensichtlich für Ihre Täigkeit hier als Psychotherapeuten als auch für uns innerhalb unseres monastischen Trainings von zentraler Bedeutung. Gerade deshalb bin ich froh darüber, dass wir nun diese Gelegenheit gefunden haben, gemeinsam hierüber zu reflektieren.
Wie ich schon vorhin erwähnt habe, geschieht es leicht, dass es etwas dauern kann, bis wir begriffen haben, dass Achtsamkeit der Kern unserer Praxis ist. Es ist außerdem sehr wichtig, dass wir erkennen wie sich all die verschiedenen "hilfreichen Mittel" (upaya), die uns der Buddhismus zur Verfügung stellt, sich genau darauf beziehen.
In den 60ern und 70ern des vorigen Jahrhunderts reisten viele von uns nach Asien, um dort etwas anzutreffen, von dem wir un erhofften, dass es die innere Leere, die wir verspürten, auffüllen würde. Wir spürten, dass uns etwas innerlich fehlte. Unseren Erwartungen entsprechend trafen wir dort eine große Vielzahl an Systemen und Inhalten an, von denen manche hilfreicher als die übrigen Angebote waren. Manche von diesen waren buddhistische Klöster und Lehrer. Wir gingen davon aus, dass sie für uns diese wundervolle Idee und Vorstellung der "Erleuchtung" für uns bereithalten würden.
Wir waren unglaublich inspiriert und glaubten, dass wenn wir erst einmal diese "Idee" vollständig begriffen hätten, dann würden wir auf ewig von der inneren Leere als auch von jeglichen Leidensempfindungen befreit sein. Wir neigten dazu, dass was wir dort antrafen auf die selbe Weise anzugehen, wie wir unser bisheriges, alltägliches Leben bestritten hatten - und zwar als Konsumenten! "Wie kann ich erleuchtet werden? Was muß ich alles anstellen, damit ich diese "Leidensfreiheit" bekommen kann?"
Ich hörte einmal die Geschichte über einen jungen Westler, der ganz Südostasien bereist hatte und sich vor allem im Besonderen darum sorgte, dass er keiner geringeren als der allerbesten spirituellen Tradition beitreten würde. Also zog er von Lehrer zu Lehrer und befragte diese nacheinander. Jedem Einzelnen stelle er folgende Frage: "Was tat der Buddha unter dem Bodhi-Baum?" Ich stelle mir das Ganze in etwa so vor, dass er vorhatte alle Antworten am Ende miteinander zu vergleichen, um dann daraufhin seine Wahl zu treffen. Jeder Lehrer antwortete ihm nun also natürlich auf der Grundlage seiner jeweiligen Perspektive. Der erste war ein japanischer Lehrer, der in Bodhgaya lebte, und dieser sagte also: "Oh! Der Buddha machte Shikantaza!" Der nächste Lehrer antwortete: "Der Buddha praktizierte definitv Anapanasati!" Und ein anderer: "Der Buddha machte Dzogchen!" Und weiter: "Buddha saß in Vipassana-Meditation vertieft!" Als dieser Suchende schließlich Thailand besuchte und dort nun also Ajahn Chah befragte, was der Buddha denn unter dem Bodhi-Baum getan hatte, antwortete ihm Ajahn Chah: "Überall wohin der Buddha ging, war er unter dem Bodhibaum. Der Bodhibaum war ein Symbol für seine 'Rechte Ansicht'."
Immer wenn ich diese Geschichte erzähle, gefällt mir was sie in mir hinterlässt. Es kommt zu einer Umkehr der Aufmerksamkeit, und ich erinnere mich daran, was der essentielle Kern unserer Praxis ist. Ich erlebe daraufhin, wie ich zu dem Herzen der Übung zurückkehre, an den einzigen Ort, an dem meine Bemühungen wirklich dazu in der Lage sind, etwas zu bewirken.
Natürlich ist es verständlich, dass wir nicht gleich von Anfang an alles richtig machen und Energie damit aufbrauchen, indem wir an einer anfänglichen Vorstellung von "Erleuchtung" anhängen. Diese Vorstellungen sind das Saatgut, welche zu einer umfassenderen, tieferen Art zu Praktizieren ausreifen werden. Wir müssen begreifen, dass dieser Weg schlicht ein vollständiges Training zur Entwicklung von Achtsamkeit anbietet - nicht einfach nur eine Vorstellung von irgend etwas. Wir wenden uns zu diesem Training hin, ganz so als ob wir eine Einladung annehmen würden, in diesem Falle jedoch eine Einladung unseren eigenen wirklichen Platz in unserem Körper-und-Geist einzunehmen.
Der Pfad des Buddha ist keine Übung die daraufhin abzielt uns durch bloße Konditionierung in eine Form oder ein Verständnis von irgendjemand anderem einzupassen.
Achtsamkeit: Das Fassungsvermögen unseres Herzens
Ich halte es für hilfreich, Achtsamkeit als eine Art Fassungsvermögen anzusehen, wenn wir über unsere Übung kontemplieren. All unsere Erlebnisse und Erfahrungen werden durch unsere Achtsamkeit aufgenommen. Wie gut oder wie frei wir das Leben an sich empfangen, ist von dem Fassungsvermögen unseres Herzens (Citta) abhängig. Wir könnten auch sagen, dass es von unserem jeweiligen gelebten Grad an Achtsamkeit abhängig ist. Mit Hilfe dieses Modells können wir genauestens untersuchen wie, wo und wann wir unser Fassungsvermögen, Erfahrungen aufnehmen zu können, begrenzen; welcher Art diese Begrenzungen sind, die wir unserer Achtsamkeit auferlegen und wie sich das für uns anfühlt.
Einer der Chants, die wir in unserem Kloster regelmäßig rezitieren, lautet: "appamano Buddho, appamano Dhammo, appamano Sangho". Das Pali-Wort "appamano" bedeutet "grenzenlos, ohne Begrenzungen". Also lautet dieser Vers übertragen: "Der Buddha ist grenzenlos, das Dhamma ist grenzenlos, die Sangha ist grenzenlos." Eine Weise, in der wir den Buddha als frei von jeglichen Grenzen anzusehen, besteht darin, das große Maß seiner Achtsamkeit in unseren Blickwinkel zu rücken. Das Herz des Buddha verfügte über ein unbegrenztes Fassungsvermögen und dementsprechend war er dazu in der Lage, unbegrenzt viele Erfahrungen ohne den leichtesten Anflug von Streß oder Abneigung in sich aufzunehmen. Er bewegte sich jenseits aller ablehnenden Tendenzen, die der Achtsamkeit Begrenzungen hätten auferlegen können und verblieb somit völlig ungestört und ohne dass es ihn belastet hätte, gleich was auch immer seine Achtsamkeit passierte. Daher sagen wir: "Ich nehme Zuflucht zum Buddha." oder orientieren all unsere bewußten Bemühungen auf die Möglichkeit hin aus, über unbegrenzte Achtsamkeit zu verfügen.
Wir wissen, dass wir dies tun müssen, um aus dem qualvollen Gefühl des begrenzten Daseins heraus zu erwachen. Wir haben genug von der erniedrigenden Erfahrung "Das wird mir einfach alles zuviel! Ich halte das nicht mehr aus!". Daher ist es an der Zeit, dass wir unseren Geist schulen. Wir müssen verstehen, was dieses "Ich" eigentlich ist - dieses "Ich", dem alles zuviel ist. Die Art und Weise, wie wir den gegenwärtigen Augenblick erfahren, entspricht nicht besonders der Wirklichkeit - was gerade geschieht, ist wirklich. Die schmerzhaften und unangenehmen Beklemmungen, die wir gemeinhin versprüren, sind die Symptome für die Beschränkungen, die wir unserer Achtsamkeit auferlegen. Dieser Schmerz ist die folgerichtige Konsequenz, die auf unser gewohnheitsmäßiges Ergreifen und Anhaften folgt.
Von dieser Perspektive aus betrachtet, erkennen wir, dass wir für die entstandenen Begrenzungen unseres verantwortlich sind. Unsere verkrampften Herzen wurden uns nicht aufgedrängt. Wir erkennen allmählich, dass wir unseren Konditionierungen nicht hilflos ausgeliefert sind. Ich bin immer wieder aufs Neue überrascht, wenn mir manche Leute sagen: "So bin ich halt gemacht!" Als ob jemand anderes für das fehlgeschlagene "Design" verantworltich wäre! Wenn wir uns unsere Achtsamkeit also im Sinne eines "Fassungsvermögens" vorstellen, entdecken wir - sprichwörtlich "decken wir auf" - eine Möglichkeit zur Veränderung. Wenden wir uns diesem Gebiet mit anhaltender und sorgsamer Aufmerksamkeit zu, entwickelt sich allmählich eine ruhige Gewißheit, dass wir uns darin entwickeln können.
 
 
Aufmerksam sein
Im Reich des Sichtbaren, der Klänge, der Gerüche, der Geschmäcker, der Empfindungen und der geistigen Eindrücke kommen wir nicht darum herum, Reize, die unsere Sinne beeinflussen, zu empfangen. Unabhängig von unserem Lebensstil - sei es als Mönch oder Nonne, Psychotherapeut oder in irgendeinem anderen Berufsstand: Wir alle werden durch die vielfältigen Sinneseindrücke berührt. Und diese Eindrücke werden entweder empfangen oder nicht. Wenn wir starr an der Vorstellung festhalten, wir wären aus uns selbst heraus nur begrenzt dazu in der Lage diese Eindrücke aufzunehmen, dann fühlen wir uns durch das ständige Ringen mit ihnen gestresst und blockiert. Kontemplieren wir jedoch über die Möglichkeit, das Fassungsvermögen unseres Herzens zu öffnen und zu erweitern, bringt dies uns jenseits des Gefühls, dass wir eben nicht anders könnten, als zu leiden.
Sind wir ausdauernd und eifrig darin, dem Gefühl, Leiden zu müssen, mit Aufmerksamkeit zu begegnen, dann sind wir uns gerade jener Dynamik achtsam gegenüber bewußt, die das Leiden an sich erst erzeugt!
Wir bringen uns dadurch an den einzigen "Ort", von dem aus wir das Gefühl der Begrenztheit aufheben können.
Unsere ungeübte Aufmerksamkeit neigt sich verständlicherweise schnell in eine Richtung, die sich nur für die Erweiterung unserer Chancen und Gelegenheiten Vergnügen zu erleben interessiert. Es ist nur natürlich, dass sich eben der Teil unserer Persönlichkeit, der durch die sinnlichen Dinge angesprochen wird, der Fährte nachfolgen möchte, die die Sinne uns als die beste auf dem Weg hin zu vergrößertem Wohlbefinden empfehlen. Das heisst: fühlt es sich gut an, dann nimm es; wenn es sich jedoch schlecht anfühlt, dann lehne es ab! Dank unserer Lebenserfahrung wissen wir jedoch bereits, dass diese oberflächliche Sicht der Dinge nicht ausreicht - wir müssen tiefer gehen! Das soll nicht heißen, dass wir hier Verurteilungen anstellen möchten, sondern dass wir versuchen, uns in Übereinstimmung mit den wirklichen Gegebenheiten zu bringen. Niemand zwingt uns dazu, tiefer nachzuschauen, aber sollten wir das nicht tun, dann werden wir weit mehr durch die Herausforderungen des Lebens geplagt, als dies nötig wäre.
Hieran können wir erkennen, warum im Buddhismus eine so große Betonung auf "dem Leiden" liegt. "Rechte Achtsamkeit" die zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Stelle ist, legt offen, was wir tun, um das Gefühl der Begrenztheit aufrechtzuerhalten. Wenn wir erkennen, dass wir dafür verantwortlich sind, dann erkennen wir ebenso, dass wir uns auch dazu entschliessen können, es sein zu lassen. Was für eine Erleichterung!
Es liegt also bei uns, auf welche Weise wir unseren Problemen und Herausforderungen begegnen. Nehmen wir einmal unseren Körper als Beispiel. Eines Tages entdecken wir einen Knoten in unserer Achselhöhle, der sehr berührungsempfindlich und schmerzhaft ist. Es kann bis zu einem gewissen Grad durchaus sein, dass wir davon lieber gar nichts wissen möchten und es vermeiden, uns darüber allzuviele Gedanken zu machen. Jedoch sind wir uns alle darüber hier wohl im Klaren, was die gefährlichen Konsequenzen sein werden, wenn wir ein solches Zeichen einfach ignorieren. Etwas in uns weiß, dass dieser Schmerz eine Botschaft unseres Organismus ist, damit wir aufmerksam auf ihn werden. Wenn wir darauf mit dem angemessenen Interesse reagieren, dann kann zukünftiger Schaden vielleicht abgewendet werden. Wenn nicht, dann ist es eventuell notwendig, dass die Lautstärke der Botschaft zunächst noch etwas erhöht werden muß.
Während unserer Praxis des Aufmerksamkeits-Trainings lernen wir die Schmerzen in unserem Herzen auf die selbe Art und Weise zu "lesen", wie wir sonst unsere körperlichen Symptome interpretieren. Schmerzen des Herzens weisen darauf hin, dass wir aus einem bestimmten Grund irgendetwas ausweichen möchten - dem wir also nicht die angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringen. Später werden wir erkennen, dass das uns ein wenig in Richtung Achtsamkeit geschubbst hat - anfänglich sind wir jedoch förmlich schockiert und leiden sehr darunter. Wir sollten uns dann erinnern, wie der Buddha zum ersten Male dem Alter, der Krankheit und dem Tod begegnet ist.
Beachten wir nun also diese Aufforderungen hin zu mehr Achtsamkeit und fühlen tief in uns hinein - also weichen wir nicht dem damit verbundenen Schmerz aus - dann können wir unsere inneren Widerstände erkennen. Wenn wir erst einmal bemerkt haben, wie wir diesen Prozeß am Laufen halten, kommen wir allmählich an den Punkt, von dem aus wir sehen können, was unser Schmerz, unser Leiden eigentlich ist. Insofern unsere Achtsamkeit sorgfältig ist, interessiert und ausreichend informiert, dann kommt es zu einer Lockerung unserer Vorstellung von begrenzter Aufnahmefähigkeit und ein neues Verständnis erscheint an Stelle dieser Begrenzungen. Wir erhalten so eine unerwartete Bestätigung dafür, dass bei jeglicher Ausweitung unseres Auffassungsvermögens das Leben zu empfangen, es im entsprechenden Maße zu einem Anwachsen unserer Erkenntnisfähigkeit, unseres "Scharfblicks" kommt.
In unserem weit geöffneten Herzen sind bereits die Fähigkeiten der Klarsicht und des angemessenen Empfindens enthalten. Lediglich das zwanghafte Aufstellen und Aufrechterhalten selbstbezüglicher Beschränkungen sorgt für das Entstehen unserer inneren Blockaden. Weitherzigkeit, ein vergrößertes Fassungsvermögen des Herzens, verfügt bereits über all das, was wir suchen. Erschwert wird es uns dadurch, dass wir es vorziehen, nicht durch die Tür mit der Aufschrift "Angst & Furcht" zu gehen, und uns somit beständig abmühen, in diese erweiterte Wirklichkeitserfahrung einzutreten. Gleichzeitig führen uns unsere Bemühungen, Weisheit zu erlangen und ein mitfühlendes Herz, wenn sie lediglich auf  bloßem Lesen und einem Leben voller Vermeidungsstrategien beruhen, einfach nur zu Frustration und Egozentrik. Deshalb sind unsere gegenseitigen Ermutigungen, diese Form der Übung sorgfältig zu kultivieren und durchzuführen, von so großem Wert!


Achtsam-sein ohne zu bewerten
Während wir daran arbeiten, über das Dasein voller eingefahrener Gewohnheiten und Unwissenheit hinauszugehen, werden wir irgendwann einmal einen Punkt erreichen, an dem wir uns förmlich dazu aufgefordert fühlen mögen, zu überprüfen auf welche Weise wir ein Gefühl von persönlicher Sicherheit empfinden - nämlich unsere Identität. Für alle von uns entsteht dies zu einem gewissen Maße dadurch, dass wir für oder gegen etwas, was gerade geschieht, Position beziehen.
Wir können diesen Entstehungsprozeß sehr gut an uns selbst feststellen, wenn wir in Bezug auf eine Erfahrung oder eine Fragestellung, die sich uns gerade präsentieren mag, voller Gewißheit sagen können, wie wir zu ihr stehen. Diese Fähigkeit gesicherte Unterscheidungen anzustellen ist eine normale Veranlagung unseres Wesens, erweist sich jedoch nur bis zu einem bestimmten Grad als angemessen. Denn sollte diese dskriminative Fähigkeit die Kontrolle über uns gewinnen und förmlich zu dem werden, was und wer wir sind - dann haben wir ein großes Problem! Es würde bedeuten, dass wir niemals davon frei wären, uns für diese oder jene Seite entscheiden zu müssen, diesem oder jenem zuzustimmen oder abzulehnen, selbst auf den subtilsten Ebenen. All das würde unseren Geist unablässig beschäftigen und dementsprechend wären wir auch nicht dazu in der Lage, einfach nur unserer Geistesaktivität gegenüber mit Achtsamkeit zu begegnen. Der Wunsch, uns mit ruhiger und stiller Untersuchung zu befassen, endet dann im Kampf mit unseren Widerständen und unserer Verwirrung.
Hierbei ist es hilfreich zu bedenken, welche Auswirkungen all die Botschaften auf uns hatten, die wir früher erhielten, wenn es darum ging, uns die Erscheinungsweise der höchsten Wirklichkeit zu erläutern. Denn was kommt beispielsweise dabei heraus, wenn sich nicht die Idee durchsetzen konnte, dass "Gott" Liebe bedeutet, die höchste Wirklichkeit in jeder Existenzform all-durchdringend und all-umsorgend enthalten ist - sondern stattdessen das Bild eines Gottes, der auf immer und ewig annimmt und zurückweist, und das irgendeinem verborgenen Plan gemäß, auf den wir keinen Einfluß nehmen können. Das Bild eines omnipotenten Wesens, das die einen oben bei sich aufnimmt und die übrigen nach unten schickt - für immer? Das Ergebnis hiervon wird sein, dass die höchste Ebene unserer Psyche ununterbrochen selektiert und wir effektiv in einem immanent frustrierenden Prozeß gefangen sind. Wir sind dann in einem Zustand chronischer Belastung.
Es gibt keine Möglichkeit von Freiheit innerhalb einer derart konditionierten Sichtweise. Es ist von großer Wichtigkeit eben genau das zu untersuchen. Stellen Sie sich beispielsweise einmal vor, was geschieht, wenn wir müde sind oder uns unwohl fühlen und wir somit nicht besonders in Verbindung mit Mitgefühl stehen. Wir werden uns in diesem Zustand nicht empfangen können, wenn gewohnheitsgemäß das Parteiergreifen für "Gut" und gegen "Schlecht" dominiert. Alles was wir dann tun, geschieht aus einem zwanghaft Urteile-fällenden Geist heraus: "Ich sollte nicht so sein!" Es ist eine reine Gewohnheit, dass wir unsere Identität dadurch versuchen zu finden, indem wir unablässig Ansichten für oder gegen bestimmte Sinnensempfindungen aufstellen. Dieses Muster hält uns gefangen, bindet uns an ein eingebildetes Programm, das im höchsten und absoluten Sinne von uns als richtig und der Wahrheit entsprechend empfunden wird. Aber was soll denn daran richtig sein?
Eine Identität aufzubauen, indem wir mittels dieser konditionierten Geistesaktivität Sicherheiten suchen, ist das Gegenteil des spirituellen Weges, der daraufhin abzielt Wohlempfinden und Identität in nichts anderem zu entdecken, als: Achtsamkeit. Diejenigen also, die sich dem "Erwachen" verschrieben haben, bewegen sich jenseits dieser derartigen Suche nach einer Identität, die aus starren Ansichten und Meinungen heraus erwachsen ist. Sie gehen durch die unsichere und unbekannte Welt des Nicht-Wissens hindurch. Nicht-Wissen meint hier: bezüglich ihres Standpunktes und somit erreichen sie letztendlich eine nicht-urteilende Achtsamkeit. Sobald wir nicht mehr wissen müssen, wer wir sind oder eine Absicherung suchen, ob wir nun im Recht sind, sondern lediglich den gegenwärtigen Augenblick aus der Freiheit der Achtsamkeit heraus empfangen können - eben so wie er sich uns darbietet -, eben dann lassen wir auch unsere Abhängigkeit von Gewißheiten zusammen mit ihren Vorhersagbarkeiten und den so begrenzten Möglichkeiten los. Unser Leben wechselt im Gesamten in einen neuen Modus Über. Wir brauchen nicht länger eine Garantie dafür, ob unsere Gruppierung die beste ist, oder alles letztendlich schon gut ausgehen wird. Wir können nun Unsicherheit tolerieren - und das ist auf eine wundervolle Weise befreiend. Wir entdecken die Möglichkeit in die Lage versetzt zu sein, all den verschiedenen Abläufen unserer vollkommen unsicheren Welt zu entsprechen, ohne dadurch gleichzeitig in achtlose Beurteilungen getrieben zu werden.



Die Aktivität der Achtsamkeit
Während wir die Erforschung unseres Geistes fortführen, werden wir ab einem bestimmten Punkt sehen können, wie all das Aufnehmen und Auswählen der Sinneseinflüsse ganz einfach eine Aktivität ist, die innerhalb unserer Achtsamkeit abläuft.
Während des allerersten Gesprächs, das ich mit meinem ersten Lehrer, dem ehrw. Ajahn Thate in Thailand führte, wurde mir von ihm aufgetragen, dass es ab nun meine Aufgabe sei, den Unterschied zwischen den Aktivitäten, die innerhalb von Achtsamkeit stattfanden und der Achtsamkeit an sich sehen zu lernen. Ende des Gesprächs!
Diese Unterweisung liegt noch immer meiner gesamten Praxis zugrunde. Ich fühle mich glücklich, dass ich eine solch klare und einfache Anleitung erfahren konnte. Das, was uns diese Lehre nahe legt, hilft uns dabei, die Annahme hinter uns zu lassen, dass wir selbst die Aktivität seien, die stattfindet. Durch Übung können wir unsere Fähigkeit erweitern, all die Inhalte unseres Geistes - mitinbegriffen das Aufnehmen, Auswählen, Bewerten usw. - als natürliche Wellen anzusehen, die den Ozean der Achtsamkeit durchqueren, der unser Leben ist.
Wir sind so auf wohltuende Weise davon abgeneigt mit dem in Kampf zu treten, was auch immer in uns entstehen mag. Stattdessen wissen wir, dass der beurteilende Geist nun einmal so ist. Es ist eine natürliche Aktivität - keine Beschuldigungen, kein Position-Beziehen für oder gegen den urteile-fällenden Geist oder andere Formen von Aktivität. Werden wir uns darüber bewußt, dass Abneigung darüber in uns entsteht, eine bestimmte Meinung zu ergreifen, über etwas, das wir zum Beispiel gerade sehen, dann erinnern wir uns daran: "Nicht den urteile-fällenden Geist beurteilen!" Wir müssen wirklich sehr genau und subtil diesbezüglich werden.
"Weises reflektieren" in Verbindung mit Achtsamkeit ist sehr kraftvoll und inspiriert. Es ist genau diese Art Achtsamkeit, die allmählich unsere falsche Sichtweise über Identität auflöst und so offen legt, was wir wirklich sind: immanent endliche, konditioniert-bedingte Wesen. Was unsere Übung anbelangt, so verpflichten wir uns zu jener Praxis, die versucht achtsam jeder Form von (innerem) Kampf zu begegnen, sobald er empfunden wird.
Ist es uns möglich, unserem Ringen während jedem einzelnen Moment gegenüber bewußt zu sein - und weiter noch: uns daran zu erinnern, über genau dieses Ringen keine Urteile zu fällen - dann werden wir uns in eine Form der Achtsamkeit emporgehoben fühlen, die bereits über das Verständnis und das Feingefühl verfügt, welches "Loslassen" erst bewirkt. Denn das Loslassen geschieht - es ist nichts, was wir mit Absicht tun könnten. Es ist vielmehr durch unser Nicht-Handeln bedingt - dadurch, dass wir weder eine Haltung "Für" noch "Gegen" beziehen. Der weiterführende Weg wird dann klar ersichtlich.
Meiner Ansicht nach werden wir weder als Meditierende noch als Psychotherapeuten besonders weit kommen, solange wir uns nicht mit der Realität des Nicht-Urteilens gut vertraut gemacht haben. Ohne einen solchen Zugang werden wir ganz einfach nicht über den notwendigen inneren Raum verfügen, den man braucht um die Intesität des Dilemmas auszuhalten, mit dem ein Leben, das sich der Transformation verschrieben hat, mit großer Sicherheit konfrontiert wird. Sind wir hingegen mit dem Geist vertraut geworden, der keine Urteile fällt, dann kennen wir ebenso auch den Ort der Überwindung, den Ort der Spontaneität, der Kreativität, der Intelligenz. Dort existiert bereits genau das, wonach wir suchen. All unsere weisen Worte sind so lange nicht mehr als bloßes Imitieren, bis wir eben diese Ebene betreten haben. Sobald wir anfangen zu reden, werden wir immer nur andere zitieren.




Der Faktor der Beweglichkeit
Während unserer Praxis der Kultivierung des Weges wird es von Zeit zu Zeit vorkommen, dass wir uns auf unangemessene Weise in einer bestimmten Art der Praxis bequem einrichten. Es kann dann passieren, dass wir uns in einem Gefühl der Mittelmäßigkeit und der Langeweile abgleiten, wenn wir nicht aufmerksam genug sind, diesen Prozeß zu bemerken. Genau deshalb werden wir dazu ermutigt unserer Achtsamkeit gegenüber Beweglichkeit zu entwickeln, um dadurch in der Lage zu sein, die gegensätzlichsten Umgebungen und Umstände zu betreten und auch wieder verlassen zu können. Wir vermeiden es dann, uns nur in Bereichen aufzuhalten, bei denen wir uns gewiß sein können, ganz gut klarzukommen. Das bezieht sich in gleichem Maße auf unsere innere Welt als auch unser äußeres Leben.
Eine Möglichkeit dieses Prinzip der Gegensätze zu vertiefen, bietet sich uns, wenn wir untersuchen auf welche Art und Weise Kinder lernen und sich fortentwickeln. Eltern versorgen ihre Kinder mit den gegensätzlichsten Erlebnissen, Erfahrungen, Farben und Gegenständen, die allesamt die Entwicklung ihrer Intelligenz anregen. Ohne einen solch angemessen kontrastreiches Input-Spektrum, verlieren die Kinder ihre Neigung hin zu Fantasie und Vorstellungsvermögen durch die schlichte Wiederholung und Gleichförmigkeit familiärer Routinen. Voraussichtlich werden sie dadurch schlicht und einfach intelektuell verkümmern.
Wir können uns auch Gedanken über eine Redewendung machen: "Eine Abwechslung ist ebensogut wie ein Nickerchen!" Darin steckt viel gesunder Menschenverstand. Wir fühlen uns erfrischt, wenn es zu einer spürbaren Veränderung unseres Tuns kommt, da wir uns aus einem Zustand des "Immergleichen" befreien, an den wir bisher gewöhnt waren - und das selbst dann, wenn wir das, mit dem wir es nun zu tun bekommen, nicht besonders mögen. Ändern wir das, was wir bisher getan haben, werden wir durch unser eigenes Interesse und unseren natürlichen Enthusiasmus mit Energie versorgt. Und über Energie verfügen wir bereits in ausreichendem Maße. Das zeigen uns die plötzlich auftauchenden Leidenschaften, jedoch da wir übermäßig versteift in den Mustern unseres Alltags sind, sind wir dermaßen unbeweglich, dass wir den Zugang zu unserer "Energiezufuhr" verloren haben. Wir erhalten neuen Zugang zu unserer natürlichen Energie, wenn wir uns also den unterschiedlichsten Einflüssen unterziehen. Verstehen wir diese Dynamik jedoch nicht, dann fangen wir vielleicht an daran zu glauben, wir seien ungenügend. In der Folge begeben wir uns auf die endlose Suche nach immer neuen Stimuli.
Es ist notwendig, zunächst unsere eigene Verfassung zu kontemplieren, solange, bis wir für uns herausgefunden haben, auf welche Art Interesse und Vitalität erzeugt werden. Kürzlich kam ein befreundeter Fotograf in unser Kloster, um Bilder für den nächstjährigen Kalender zu machen. Seine Arbeiten sind wunderschön und ich bin voller Bewunderung für den Reichtum und die Tiefe, die ihm mit diesen Bildern gelang. Das grundlegende Element, die dabei diese Fülle hervorruft, ist Kontrast.
Indem wir unserer gewohnten Neigung nachfolgen, uns immer eben dort aufzuhalten, wo wir uns sicher fühlen, und Herausforderungen deshalb meiden, da wir der Vermutung erliegen, wir seien ungenügend, ist Mittelmäßigkeit vorprogrammiert. Selbst wenn wir versuchen, uns für eine Weile mit Anreizen und Zerstreuungen zu beschäftigen, wissen wir dennoch, dass dies nicht der Weg sein kann. Dadurch das wir dieses Prinzip des Kontrastes in unserer Praxis kontemplieren, ermutigen wir uns selbst dazu, uns in Situationen zu begeben, in denen wir uns nicht sicher fühlen. Wir tun dies, da wir voller Interesse sind und erwacht leben möchten.
Ich hörte einmal einen bekannten englischen Judo-Meister darüber reden, auf welche Weise sein Lehrer ihm Anweisungen gab. Ebendieser Lehrer bemerkte einmal, daß sein Schüler alle möglichen Wettbewerbe allein dadurch gewann, indem er einen ganz bestimmten Wurf ausübte - und diesen immer über seine rechte Seite ausführte. Also sagte ihm sein Lehrer, er solle nun für ein Jahr damit aufhören, die rechte Seite zu benutzen. Darauf folgte eine ganze Reihe demütigender Niederlagen, aber letztendlich gelang es dem Schüler, die Fähigkeit zu entwickeln, seinen erfolgreichen Wurf mittels der linken Seite auszuführen. Von da an war ihm die Weisheit seines Lehrers bewußt. So lange er lediglich mit der Rechten seinen Wurf ausführen konnte, war er verletzlich, und es war nur eine Frage der Zeit, bis jemand anderes seine Schwäche entdecken und ihn dadurch bezwingen würde. Mit der neu erworbenen Flexibilität jedoch, nun auch über die andere Körperseite zu kommen, war er unschlagbar.
Die meisten von uns haben nicht das Glück, mit einem wachsamen Meister zusammenzuleben, der unsere Neigungen erkennt, dadurch ins Ungleichgewicht zu geraten, indem wir uns auf unseren Stärken ausruhen. Deshalb ist es notwendig uns selbst zu überprüfen. Und dabei brauchen wir die Fähigkeit innerer Flexibilität, innerer Beweglichkeit. Die formale buddhistische Lehre hierüber ist als "Die vier Grundlagen der Achtsamkeit" (Satipatthana) bekannt. Ohne diesesmal allzu tief in diese Lehre vorzudringen, ist es gut, sich hier ein wenig auf sie zu beziehe. Die Unterweisung, die für uns darin enthalten ist, ist eine detaillierte Beschreibung der Techniken und der Vorzüge, die aus der Entwicklung der Achtsamkeit in vier Bereichen erwächst:

  • Achtsamkeit in Bezug auf den Körper (kayanupassana);
  • Achtsamkeit in Bezug auf das Gefühl (vedananupassana);
  • Achtsamkeit in Bezug auf den Geist, das Bewußtsein oder das "Herz" selbst (cittanupasanna);
  • Achtsamkeit auf die Gesetzmäßigkeiten oder Muster der Realität, die den Weg zum Erwachen hin betreffen (dhammanupasanna).
Die Lehrreden, die der Buddha diesbezüglich hielt, bilden die Grundlage aller Lehren der meditativen Traditionslinien der Theravada-Schule des Buddhismus. Die allerhöchste Stellung innerhalb der Hierarchie der zu-entwickelnden Fähigkeiten nimmt die innere wie die äußere Beweglichkeit ein.

(Pardon, der restliche Text ist noch in Bearbeitung und wird in Kürze hier veröffentlicht!)
(Verantwortlich für diese Übertragung aus dem englischen Original: M. Bergweiler, 2004)

Das schrittweise Vorgehen bei der Atemsmeditation

Das schrittweise Vorgehen
bei der Atemsmeditation

von

Thanissaro Bhikkhu

Aus dem Buch "Meditations"
Copyright © 2003 Thanissaro Bhikkhu
Aus dem Englischen übersetzt von Lothar Schenk

Nur zur unentgeltlichen Verteilung.
Der Ausdruck dieses Werkes zum persönlichen Gebrauch ist gestattet.
Dieses Werk darf für den Gebrauch auf Computern und in Computernetzen umformatiert und weiterverteilt werden,
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Bei seiner Anleitung zur Atemsmeditation lehrt der Buddha insgesamt sechzehn Schritte. Es handelt sich um die ausführlichsten Meditationsanweisungen im Kanon. Und der Atem ist das Thema, das er am wärmsten und am häufigsten empfiehlt -- weil der Atem nicht nur einen Ort abgibt, wo der Geist sich niederlassen und Vertiefung erlangen kann, sondern weil er auch etwas ist, das der Geist untersuchen und zerlegen kann. Bei der Beschäftigung mit ihm können alle für das Erwachen nötigen Einsichten aufsteigen -- während der Geist achtsam beim Atem bleibt, aufmerksam beim Atem bleibt und sich gleichzeitig dessen bewusst ist, wie er sich zum Atem verhält.

In den fortgeschritteneren Stadien der Atemsmeditation liegt die Betonung weniger auf dem Atem und dafür mehr auf dem Geist und wie er sich zum Atem verhält. In der Anfangsphase liegt das Schwergewicht allerdings auf dem Atem selber, darauf, wie man den Atem benutzt, um den Geist einzufangen und zum gegenwärtigen Augenblick zu führen. In den ersten beiden Schritten bleibt man einfach beim langen und kurzen Atmen und entwickelt dabei ein Gespür dafür, wie sich langes und kurzes Atmen anfühlt. Mit dem dritten Schritt kommt jedoch ein Element des Beabsichtigens mit ins Spiel. Man übt, und das erste, das man übt, ist, sich des ganzen Körpers bewusst zu sein, während man einatmet, sich des ganzen Körpers bewusst zu sein, während man ausatmet.

Bei der Beschreibung von Vertiefungszuständen verwendet der Buddha keine Bilder für Einsgerichtetsein. Er verwendet Bilder für Ganzkörperwahrnehmung. Wenn vom Atem ein Gefühl des Entzückens und des Wohlseins ausgeht, so lautet seine Anweisung, dass man dieses Gefühl des Entzückens und des Wohlseins in den ganzen Körper einarbeiten soll, so wie man beim Herstellen von Teig Wasser in Mehl einknetet. Ein anderes Bild spricht davon, dass das Entzücken wie Wasser hochsteigt und den ganzen Körper ausfüllt, so wie kühles Quellwasser im Inneren eines Sees hochsteigt und den ganzen See mit seiner Kühle anfüllt. Ein weiteres Bild ist das von Lotusblüten in einem See: einige der Lotusblüten treten nicht aus dem Wasser hervor, sondern bleiben völlig vom Wasser umgeben und sind von den Wurzeln bis zu den Spitzen von der Stille und Kühle des Wassers im See durchtränkt. Wieder ein anderes Bild ist das von einer von Kopf bis Fuß in ein weißes Gewand gehüllten Person, so dass der ganze Körper von dem weißen Gewand bedeckt ist.

Das sind alles Bilder für Ganzkörperwahrnehmung, dafür, wie Entzücken, Wohlsein oder ein helles Gewahrsein den gesamten Körper ausfüllen. Daran gilt es bei der Erforschung des Atems zu arbeiten, denn die Art von Gewahrsein, die das Aufsteigen von Einsicht gestattet, ist nicht ausschließlich auf einen Punkt gerichtet. Wenn man sich auf einen Punkt konzentriert und alles übrige ausblendet, dann bleibt dadurch eine Menge blinder Flecken im Geist übrig. Wenn man sich aber um ein umfassenderes Gewahrsein bemüht, dann hilft das dabei, die blinden Flecken zu entfernen. Anders gesagt, geht es darum, im Atem einzutauchen, sich des Atems auf allen Seiten um einen herum bewusst zu sein. Einer der dafür verwendeten Ausdrücke ist kayagatasati -- den Körper ausfüllende Achtsamkeit. Der Körper ist mit Achtsamkeit getränkt, und die Achtsamkeit ihrerseits ist mit dem Körper getränkt, vom Körper umschlossen. Es ist also nicht so, dass man da irgendwo oben an einer Stelle sitzt -- sagen wir mal im Hinterkopf -- und von dieser einen Stelle aus den übrigen Körper betrachtet, oder dass man versuchen sollte, die Wahrnehmung des übrigen Körpers von dieser Stelle des Gewahrseins zu trennen und zu unterdrücken. Es bedarf der Ganzkörperwahrnehmung, überall rund herum, 360 Grad, um die blinden Flecken im Geist zu entfernen.

Sobald man diese Art von Gewahrsein erreicht hat, arbeitet man daran, sie aufrecht zu erhalten -- obwohl die "Arbeit" dabei nicht so wie andere Arbeit ist. Man arbeitet daran, die Aufmerksamkeit nicht abgleiten, nicht schwächer werden zu lassen. Man arbeitet daran, keine anderen Verpflichtungen aufzugreifen. Nach einer Weile jedoch wird diese Arbeit immer selbstverständlicher, wird einem zur zweiten Natur. Man fühlt sich immer gelassener und zuhause. Indem der Geist sich darin niederlässt, verschwindet allmählich seine übliche Nervosität. Der Körper braucht tatsächlich immer weniger Sauerstoff, weil das Ausmaß der Gehirntätigkeit sich allmählich beruhigt, und deshalb wird der Atem immer schwächer und feiner. Die Atemtätigkeit kann sogar völlig zum Erliegen kommen, weil der Sauerstoff, der durch die Poren der Haut aufgenommen wird, ausreicht.

An diesem Punkt scheint es so, als ob der Atem und das Gewahrsein miteinander verschmolzen wären. Man kann die beiden kaum auseinanderhalten, und so lange es dauert, versucht man es auch nicht. Gestattet dem Gewahrsein und dem Atem, einander zu durchdringen, eins zu werden.

Man muss es diesem Gewahrsein, diesem Gefühl des Einsseins gestatten, sich zu entwickeln, bis es ganz fest ist. Andernfalls kann es leicht wieder zerstört werden, weil der Geist die Gewohnheit hat, zusammenzuschrumpfen. Sobald wir denken, lassen wir das Energiefeld an bestimmten Stellen des Körpers schrumpfen, um sie aus unserem Gewahrsein auszublenden, und das ist der Grund, warum es jedesmal, wenn ein Gedanke sich ereignet, Spannung im Körper gibt. Diese Körperstelle hier wird angespannt, damit man diesen Gedanken denken kann; jene Körperstelle dort wird angespannt, um einen anderen denken zu können, und so geht es hin und her. Es ist also kein Wunder, dass schon der reine Denkvorgang dem Körper viel abverlangt. Nach manchen Abhandlungen in der Chinesischen Medizin verbraucht eine Person mit Denkarbeit dreimal soviel Energie wie eine Person mit rein körperlicher Arbeit. Das kommt daher, weil Denken mit Anspannung im Körper einhergeht. Insbesondere Gedanken, die in die Vergangenheit oder Zukunft abschweifen, müssen ja ganze Welten erzeugen, um sich darin ansiedeln zu können.

Mit vertieftem Geist denken wir auf andere Weise. Im Anfangsstadium denken wir noch, aber wir denken nur über den gegenwärtigen Augenblick, beobachten nur den gegenwärtigen Augenblick, sind wach und aufmerksam bei dem, was hier geschieht, und müssen deshalb keine vergangenen oder zukünftigen Welten erzeugen. Das erlegt dem Körper weniger Anspannung auf. Um den Brennpunkt auf dem Jetzt aufrechtzuerhalten und nicht in alte Gewohnheiten zu verfallen, muss man sein Gewahrsein so breit wie möglich halten. Dadurch bleibt man in der Gegenwart verwurzelt, ganz hinab bis zu den Fingern und Zehen. Mit breit entfalteter Wahrnehmung kommt es nicht zu dem Zusammenschrumpfen, das es dem Geist erlauben würde, Gedanken von Vergangenheit und Zukunft nachzuhängen. Man bleibt vollkommen im gegenwärtigen Augenblick angesiedelt. Die Notwendigkeit, zu denken, wird immer schwächer.

Indem immer weniger Gedanken dem Fluss der Atemenergie im Weg stehen, entwickelt sich ein Gefühl der Fülle überall im Körper. Die Texte bezeichnen diese Fülle als Entzücken, und das sie begleitende Wohlgefühl als Freude. Man lässt dieses Gefühl freudiger Fülle den Körper durchdringen, aber man behält den Blickpunkt auf der Atemenergie, selbst wenn sie vollkommen ruhig ist. Schließlich -- und man sollte nicht versuchen, dies zu beschleunigen -- kommt der Punkt, an dem Körper und Geist von diesem Entzücken und Wohlgefühl genug haben, so dass man ihnen erlauben kann, abzuklingen. Oder es mag Zeiten geben, wenn das Entzücken zu übermächtig wird, und in diesem Fall sollte man versuchen, das Gewahrsein des Atems so weit zu verfeinern, dass es ohne Beeinträchtigung am Entzücken vorbei kommt, bis man auf eine Stufe völligen Wohlseins gelangt. Dann klingt auch noch dieses Wohlsein ab -- der Eindruck, das Wohlgefühl in sich aufzusaugen --, und es bleibt völlige Stille übrig.

Nachdem man fest in der Stille verwurzelt ist, kann man allmählich nach der Trennlinie zwischen Gewahrsein und Atem suchen. Bis zu diesem Punkt hat man den Atem gehandhabt, indem man versucht hat, immer feinfühliger dafür zu werden, was sich beim Atmen angenehm anfühlt und was nicht. Dabei wurde diese Einflussnahme immer behutsamer und unaufdringlicher, bis man jetzt endlich darauf verzichten und einfach so beim Atem sein kann. Dadurch kann der Atem immer schwächer und feiner werden, bis er vollkommen ruhig wird. Wenn alles ganz fest, ganz still ist, dann treten das Gewahrsein und das Objekt des Gewahrseins auf natürliche Weise auseinander, so wie chemische Substanzen in einer Suspension, die man ruhig stehen lässt. Sobald das Gewahrsein als eigenständiger Faktor hervortritt, kann man damit beginnen, die Bausteine des Geistes, die Gefühle und Eindrücke, die das Gewahrsein formen, unmittelbar zu handhaben. Man kann sie dabei genau beobachten, weil der Atem jetzt aus dem Weg ist.

Es ist wie beim Einstellen eines Radiosenders: solange noch statisches Rauschen da ist, solange man nicht genau auf die Frequenz des Senders abgestimmt ist, kann man die Feinheiten des Signals nicht hören. Aber sobald man genau auf der Frequenz liegt, verschwindet das Rauschen und die ganzen Feinheiten werden deutlich. Wenn man auf den Geist abgestimmt ist, kann man die Feinheiten von Empfindungen und Eindrücken erkennen und wie sie sich verändern. Man kann die Ergebnisse sehen, die von ihnen herrühren, den Einfluss, den sie auf das Gewahrsein haben, und nach einiger Zeit scheint es einem, je geringer dieser Einfluss, desto besser. Also gestattet man ihnen, sich zu beruhigen. Wenn sie zur Ruhe gekommen sind, bleibt nur noch das Gewahrsein selbst übrig.

Aber selbst dieses Gewahrsein besitzt noch ein Auf und Ab, und um auch das noch zu überwinden, weist einen der Buddha an, es genauso zu behandeln wie man den Atem und die geistigen Faktoren wie Empfindungen und Eindrücke gehandhabt hat. Die Schriften sprechen davon, den Geist aufzumuntern, den Geist zu beruhigen und den Geist zu befreien. Anders ausgedrückt, gewinnt man, je mehr man sich an die verschiedenen Vertiefungsstufen gewöhnt, allmählich ein Gespür dafür, welche Art von Vertiefung für das Gewahrsein gerade in diesem Augenblick gebraucht wird. Wenn es instabil erscheint, was kann man tun, um es zu festigen? Wie ändert man die Wahrnehmung des Atems oder passt den Brennpunkt der Aufmerksamkeit an, um den Geist beständiger zu machen? Wenn die Meditation auszutrocknen beginnt, was kann man tun, um den Geist aufzumuntern? Und während man von einer Stufe der Vertiefung zur nächsten geht, was genau lässt man da los, damit der Geist sich von der schwächeren Vertiefungsstufe ablöst und sich in einer stärkeren ansiedeln kann?

Wenn der Buddha an dieser Stelle des Übungswegs von Befreiung des Geistes spricht, dann meint er damit nicht die endgültige Befreiung. Er spricht über die Art von Befreiung, die geschieht, indem man beispielsweise das Sinnen und Erwägen des ersten Jhanas aufgibt, sich von der Last dieser Faktoren befreit und damit in das zweite Jhana übergeht, und so weiter bei den übrigen Vertiefungsstufen. Indem man das tut, erkennt man allmählich, wie sehr diese Vertiefungsstufen gewillkürt sind. Das ist wichtig. Einsicht kann sich in der Vertiefung ergeben, während man von einer Stufe zur nächsten geht und dabei quasi wie aus dem geistigen Augenwinkel heraus nebenbei bemerkt, was man tut, um von einer Art, den Atem zu erleben, zur nächsten zu gehen, von einer Stufe innerer Festigkeit zur nächsten. Und man erkennt, wie sehr es sich dabei um etwas willkürlich Hervorgerufenes handelt.

Das führt schließlich zu denjenigen Stadien der Atemsmeditation, die mit der Einsicht in Verbindung stehen. Zunächst ist da Einsicht in die Unbeständigkeit, sowohl beim Atem als auch - noch wichtiger - beim Geist, indem man erkennt, dass sogar diese festen, sehr erquickenden Vertiefungsstufen gewillkürt sind. Hinter all der Erquickung, all der Festigkeit, steht ein wiederholtes Wollen, Wollen, Wollen, um den Vertiefungszustand aufrecht zu erhalten. Darin besteht eine gewisse Beschwernis. Einsicht in die Unbeständigkeit hat weniger damit zu tun, wie man Erlebnisse konsumiert, als vielmehr damit, wie man sie erzeugt. Man sieht die ganze Mühe, die in das Erzeugen einer bestimmten Art von Erlebens einfließt, und es erhebt sich die Frage: "Ist es das wert? Ist es nicht beschwerlich und mühevoll, dauernd immer wieder solche Erlebnisse machen, machen, machen zu müssen?"

Das Problem wird nun: "Was kann man tun, um diese Last aufzugeben?" Wenn man aufhört, solche Vertiefungszustände herzustellen, hat man da keine andere Wahl, als wieder zurückzukehren und andere Erlebnisse zu produzieren? Oder ist es möglich, überhaupt keine Erlebnisse herzustellen? All unsere normalen Erlebnisse von Augenblick zu Augenblick zu Augenblick, sei es nun in der Vertiefung oder nicht, rühren von einem gewissen Element des Beabsichtigens, des Wollens her. Und nunmehr ist man an einem Punkt angelangt, wo dieses Element des Wollens, des Beabsichtigens als offensichtliche Last zutage tritt. Vor allem, wenn man sich umschaut und fragt: "Für wen erzeuge ich das überhaupt? Wer genau konsumiert denn das?" Man erkennt immer deutlicher, dass der Eindruck, wer man ist, wer dieser Verbraucher ist, schwer zu lokalisieren ist, weil er vollständig aus den Ansammlungen besteht und weil die Ansammlungen selbst unbeständig, leidvoll und ohne inneren Kern sind. Dieser Verbraucher ist ebenfalls etwas Erzeugtes. Das führt zu einer Haltung, die in den Schriften nibbida genannt wird, was als Ernüchterung oder Desillusionierung übersetzt werden kann. Manchmal steht in den Übersetzungen drastischer: Abscheu. In jedem Fall handelt es sich dabei um das Gefühl, dass man genug davon hat. Man fühlt sich in diesem Vorgang gefangen. Man findet kein Gefallen mehr daran. Man sucht nach einem Ausweg.

Also richtet man sein Augenmerk auf das Loslassen. Nach den Schriften besteht zunächst eine Hinwendung zur Leidenschaftslosigkeit, dann eine Hinwendung zum Erlöschen, und dann schließlich zur vollkommenen Loslösung. Mit anderen Worten lässt man auf der letzten Stufe jegliche Art von Tun fallen, jegliches Wollen und Beabsichtigen, den Erschaffer, den Erleber, den Beobachter, sogar alle Eindrücke und Gedankenbilder, die den Weg ausmachen. Wenn die den Weg bildenden Faktoren ihr Werk vollendet haben, kann man sie ebenfalls aufgeben.

Alles dies findet genau hier beim Atem statt, dem Punkt, wo Geist und Körper beim Atmen zusammentreffen. Deswegen soll man nach dem Buddha den Atem als Thema der Meditation nie vollständig fallenlassen. Das Fortschreiten auf dem Weg rührt einfach daher, dass man genau hier bleibt und immer umfassender gewahr wird, was alles genau hier rundherum vor sich geht. Man entwickelt ein umfassenderes Gewahrsein, nicht nur überall im Körper, sondern auch überall im Geist. Man erkennt und durchschaut jetzt die blinden Flecken, die es einem bisher ermöglichten, blindlings Erlebnisse zu konsumieren und dabei die Tatsache zu vergessen, dass man sie erst erzeugen musste. Es ist wie wenn man im Kino einen Film anschaut -- zwei Stunden Spiel von Licht und Schatten auf der Leinwand -- und dann später eine Dokumentation sieht, wie der Film gemacht wurde. Man entdeckt, dass Monate, manchmal sogar Jahre an Arbeit hineingesteckt wurden, und es erhebt sich die Frage: "War es das wert?" Einige kurze Stunden leeren Vergnügens, und schon hat man es wieder vergessen -- trotz der ganzen Mühe und Entbehrung, die das Herstellen gekostet hat.

Wenn man nun also seine ganzen Erlebnisse mit diesem gemeinsamen Maßstab betrachtet, die ganze Mühe sieht, die in ihre Erzeugung fließt, und sich fragt, ob es das wert ist: das ist der Punkt, wo man wirklich desillusioniert, ernüchtert wird, wo man wirklich loslassen kann. Man gibt nicht nur Eindrücke und Empfindungen in ihrem Kommen und Gehen auf, sondern auch das Erzeugen dieser Dinge. Man erkennt, dass diese Tätigkeit des Erschaffens allumfassend ist, dass sie allen Erlebnisse innewohnt. Man erzeugt ständig, sei es nun auf heilsame oder unheilsame Weise. Jedesmal, wenn es zu einem Willensimpuls kommt, jedesmal, wenn im Geist eine Auswahl stattfindet, bedeutet das gleichzeitig eine Erschaffenshandlung. Dieser Vorgang wird einem allmählich lästig; daraus ergibt sich schließlich die Hinwendung zum Loslassen.

Man lässt das Erschaffen gehen, man gibt das Erzeugen auf, und dieses Aufgeben führt zu einer wirklichen Öffnung der Dinge. Der Geist öffnet sich für eine völlig andere Dimension: eine, die nicht erschaffen, nicht erzeugt ist, wo es kein Erscheinen und Verschwinden gibt. Und auch das wird genau da berührt, obwohl es in jenem Moment keine Empfindung des Atems gibt, keine Empfindung des Körpers, keine Empfindung des Geistes als funktionierendem, erschaffendem Verbraucher oder Erzeuger. Wenn der Buddha darüber spricht, spricht er nur in Vergleichen, und alle Vergleiche sind solche der Freiheit. Das ist so ziemlich alles, was man sagen kann, wenn man versucht, es zu beschreiben, aber es gibt eine Menge darüber zu sagen, wie man da hingelangt. Deswegen sind Buddhas Lehren so umfangreich. Er beschreibt den Weg dahin in allen Einzelheiten und geht auf jeden Schritt ein. Aber wenn ihr wissen wollt, wie es ist, das Ziel zu erreichen, dann haltet euch nicht mit langwierigen Beschreibungen auf. Geht einfach Schritt um Schritt vor, und ihr werdet es selbst genau hier erkennen.

Mittwoch, 29. Dezember 2010

"[...] I have discovered for myself that if I just sit perfectly still, so still that I am conscious of the blood drumming in my ears and open my mind to - no, not to anything - just open up my mind; though nothing happens the first time or the second, one day I begin to feel some response. My heart seems to be talking to me, revealing secrets of which I have never so much as dreamt. Afterwards I am left in a state of marvelous happiness. A Light shines within me and about me and they are One. My heart seems to have seven doors which open one by one, the Light getting brighter and brighter all the time. And when the meditation period is over, I feel as if everything that happens to me is good; as if all of it is directed by the Light; as if, without thinking much, I do just what is best for me to do; as if I am being carried by a great stream just where it is best for me to go. Then, sooner or later, from habit I do something which brings me against the current of the stream; the Light fades and I am as before, but for a while I am lonely as when I first separated from my mother. I think this is because I have a heavy load of karma which drags me back and sets me against the stream again and again. What gives me hope is that, each time all this happens, the Light seems to stay with me a little longer."